Verfasst von Nikolaus von Twickel

Zusammenfassung

Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten vergangene Woche war keine Top-Nachricht für die offiziellen Medien der “Volksrepubliken” Donezk und Luhansk. Die Donezker Separatisten machten dagegen viel Wirbel um Fortschritte bei der Aufklärung des Mordes an Feldkommandeur “Motorola.” In Luhansk entschuldigte sich der “Republikchef” für ausstehende Gehaltszahlungen, sprach aber von einem “technischen Problem”.

Ausführlicher Überblick

  1. Reaktionen auf Trump

Die ersten Reaktionen der ostukrainischen Separatisten auf die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten fielen verhalten aus. Am Tag nach der Wahl äußerte sich lediglich der Luhansker “Republikchef” Igor Plotnizkij in der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti:  Er hoffe, dass die neue amerikanische Führung den Kurs überdenkt, „…anderen Völkern ihre eigenen Vorstellungen über den richtigen Lebensstill aufzuzwingen”.

Plotnizkij betonte gleichzeitig, dass er das “Freistilringen” des US-Wahlkampfes nicht verfolgt habe. Die Tatsache, dass diese Äußerungen des “LNR”-Chefs weder auf der offiziellen Seite lug-info.com, noch auf der inoffiziellen Seite lnr.today stehen, könnten darauf deuten, dass man in Luhansk nicht wirklich auf einen Trump-Sieg vorbereitet war.

In Donezk hatte zunächst Chefunterhändler Denis Puschilin dem russischen Sender Life.ru erklärt, dass Trumps Sieg eine Lösung des Konflikts wahrscheinlicher macht. Dann dauerte es einen Tag, bis “Republikchef” Alexander Sachartschenko sich offiziell äußerte – und sagte, dass man erst Trumps Amtseinführung abwarten müsse. “Wahlkampfrhetorik ist eine Sache – aber es ist etwas anderes, wenn er an die Macht und in das reale politische System gerät,” erklärte er am 10. November (Donnerstag).

Des Weiteren warf Sachartschenko der Ukraine vor, nicht auf den US-Wahlausgang vorbereitet gewesen zu sein. Trumps Sieg habe alle politischen Karten Kiews durcheinander gebracht, das hätten die Gespräche der Kontaktgruppe in Minsk am Vortag gezeigt. “Sie haben keine Befehle bekommen und deshalb die Gespräche auf der Stelle treten lassen,” wurde er von Donezker Nachrichtenagentur DAN zitiert.

Am 11. November (Freitag) sagte Puschilin vor dem “DNR”-Parlament, Trumps Wahl sei zwar kein Allheilmittel, aber Grund für verhaltenen Optimismus. Weiter verglich Puschilin, der auch Parlamentspräsident ist, die US-Wahl mit dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum von November 2014: Damals, behauptete er, sei der Wahlausgang auch unerwartet gewesen. “Etwas ähnliches ist in den USA passiert,” – zitiert ihn die offizielle Nachrichtenagentur DAN.

Die Militärsprecher der Separatisten halten derweil an ihrem Kurs fest, wonach man gegen NATO und Amerika kämpfe. So behauptete die Luhansker “Volksmiliz” (Armee) am 14. November (Montag), dass die ukrainischen Streitkräfte wegen der schwachen Moral der eigenen Leute erneut ausländische Söldner an die Front schicken. Die offizielle „LNR“-Webseite lug-info.com zitiert den Militärsprecher Andrei Marotschko, dem zufolge nach Switlodarsk eine Einheit von mit US-Gewehren und NATO-Uniformen ausgerüsteten Scharfschützen zur Durchführung von Provokationen in der sogenannten ATO-Zone verlegt worden sei.

Gleichzeitig warnte der Luhansker Armeechef Oleg Anaschtschenko davor, dass ausländische (sprich: amerikanische) Instrukteure weiterhin ukrainische Spezialtruppen im westlichen Gebiet Lemberg zu Sabotageakten in den “Volksrepubliken” ausbilden.

  1. Anschlag auf “Motorola” aufgeklärt?

Ein solcher Sabotageakt soll nach Darstellung der Separatisten der Anschlag auf den prominenten “DNR”-Feldkommandeur Arsenij Pawlow gewesen sein. Pawlow, besser bekannt als “Motorola”, war am 16. Oktober von einer Bombe getötet worden, als er seinen Wohnblock in Donezk betrat.

Als Beweis für diese Behauptung erklärte das “Sicherheitsministerium” (MGB) der “DNR” am 12. November (Samstag), dass im Zusammenhang mit „Motorolas“ Tod sechs Angehörige einer ukrainischen Neonazi-Organisation namens “Misanthropic Division” festgenommen worden seien. Zuvor hatte  “DNR”-Chef Alexander Sachartschenko drei führende Offiziere des ukrainischen Geheimdienstes SBU als Drahtzieher des Anschlags genannt – den stellvertretenden SBU-Chef Vitali Malikow sowie die Chefs der Geheimdienste in den Gebieten Donezk und Luhansk – Oleksandr Kuz und Oleh Koslowskij.

Am Sonntagabend veröffentlichte das russische Staatsfernsehen Angaben zu einem der sechs Festgenommenen – ein Teenager namens Ernest Popow. Dem Bericht zufolge stammt Popow aus Donezk, wo er zu den Ultras der Fußballfans gehörte. Nach Kriegsbeginn sei er nach Kiew gegangen, wo er sich dem Freiwilligen-Bataillon “Asow” angeschlossen habe, das als ein Sammelbecken für Rechtsradikale gilt. “Asow habe ihn nach Donezk zurückgeschickt, wo er sich einer Zelle der “Misanthropic Division” anschloss.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Separatisten Teenager als ukrainische Agenten vorführen. Im September präsentierte das Donezker MGB fünf Heranwachsende aus dem Raum Jasynuvata, die im Auftrag des Geheimdienstes SBU Anschläge geplant haben sollen.

Der Bericht vom Sonntag löste in der Ukraine Zweifel aus. Besonders die Einlassung Popows, er habe bei Asow “Marschieren, Taktik und das Zerlegen und Zusammensetzen von Sturmgewehren” gelernt, sorgte für sarkastische Kommentare.

Weder aus dem TV-Bericht noch aus der MGB-Mitteilung geht hervor, ob die Festgenommenen eigentlich beschuldigt werden, „Motorola“ umgebracht zu haben. Es heißt lediglich, dass “Misanthropic Division” die Verantwortung für den Anschlag auf „Motorola“ übernommen habe.

Tatsächlich war noch am Tag des Anschlags ein angebliches Bekennervideo dieser bis dahin wenig bekannten Gruppe aufgetaucht, jedoch nur auf dem Twitter-Account des russischen Kriegsreporters Sascha Kots. Vertreter von “Misanthropic Division” haben das Video bereits damals für falsch erklärt und die Mitteilung des “MGB” über die Verhaftungen dementiert. Eine Sprecherin von “Asow” sagte am Montag, dass keiner der Festgenommenen Verbindungen zu dem Bataillon habe.

“Motorola” ist der erste prominente Vertreter der “DNR”, der einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Bislang waren gewaltsame “Säuberungen” auf die “Volksrepublik” Luhansk beschränkt, wo zwischen Mai 2015 und Januar 2016 mindestens drei einflussreiche Kommandeure getötet wurden und diesen Herbst ein ehemaliger Premierminister unter mysteriösen Umständen in der Haft ums Leben kam (s. Newsletter Nr. 1). Ukrainische Medien und Blogger spekulieren, dass die Anschläge von russischen Agenten ausgeführt wurden, um die Separatisten unter Kontrolle zu halten.

Das “Innenministerium” der “Volksrepublik” Donezk teilte am Freitag mit, dass man eine spezielle Truppe zum Schutz führender Vertreter der “DNR” aufgestellt habe.

  1. „Technische Schwierigkeiten“ bei der Gehaltsauszahlung

Ukrainische Medienberichte, wonach die “Volksrepubliken” Finanzprobleme haben, fanden am Montag erneut eine Bestätigung: Der Luhansker Separatistenführer Igor Plotnizkij entschuldigte sich während einer Kabinettssitzung offiziell dafür, dass Gehälter im öffentlichen Dienst und Renten im Oktober nicht voll ausgezahlt wurden. Plotnizkij versuchte gleichzeitig, die Bevölkerung zu beruhigen, indem er von vorübergehenden “technischen” Schwierigkeiten sprach. “Wir werden alles in kurzer Zeit in vollem Umfang finanzieren. Es gibt keine besonderen Probleme,” sagte er.

“LNR”-Finanzminister Jewgeni Manuilow versprach gleichzeitig, dass die fehlenden Gelder bis 20. November nachbezahlt würden. Bereits am 1. November hatte Manuilow eingeräumt, dass die Oktober-Gehälter für den öffentlichen Dienst mangels Steuereinnahmen nicht komplett ausgezahlt werden konnten.

Auch in der „DNR“ ist die Situation nicht besser. Bereits vor zwei Wochen hatte “Republikchef” Alexander Sachartschenko beträchtliche wirtschaftliche Probleme bestätigt und den Energieminister angewiesen, ausstehende Löhne für Kohlebergwerksarbeiter bis Jahresende auszuzahlen.

Vergangene Woche berichtete das (proukrainische) Portal Nowosti Donbassa, dass den Lehrer in Donezk lediglich zehn Prozent des Lohns für den Monat Oktober ausbezahlt wurden. Aus Chartzysk, einem Vorort von Donezk, gab es Meldungen, dass die Angestellten eines kürzlich geschlossenen Kabelwerks einen spontanen Protest anhielten.

Um die schlechte Einnahmesituation zu verbessern, versuchen die Separatisten offenbar, die volle Kontrolle über die Wirtschaft in ihren Regionen zu bekommen: So wurde z.B. in der “DNR” bereits im Sommer ein Verstaatlichung-Gesetz erlassen, das zunächst ein dem russischen Stahlriesen Metschel gehörendes Werk traf. Der für die Verstaatlichung zuständige “Industrieminister” Alexei Granowskij (ein ehemaliger Bürgermeister von Debalzewe) erklärte am Samstag, dass die Wiederaufnahme stillgelegter Betriebe eine Priorität für 2017 sei. Die Betriebe will er in “Clusters” gleicher Branchen (leichte Industrie, Chemie, etc.) zusammenfassen.

Zwar zahlen offenbar die Betriebe des Großunternehmers Rinat Achmetow der “DNR” Steuern, aber es ist völlig unklar, in welchem Umfang das geschieht. Außerdem sind zahlreiche Betriebe nicht in “DNR”, sondern weiterhin in der Ukraine registriert.

Das Thema sprach Sachartschenko indirekt auch am 11. November (Freitag) auf einer Versammlung der politischen Bewegung “Donezkaja Respublika” (Donezker Republik“, die faktisch als Regierungspartei fungiert) an: Der Republikchef rief  in seiner Rede die Aktivisten dazu auf, die Arbeit auf lokaler Ebene zu verstärken und sich insbesondere um die Menschen zu kümmern, die in nicht in der „DNR“ registrierten Betrieben arbeiten.