Verfasst von Nikolaus von Twickel
Zusammenfassung
In der vorigen Woche wurde in Teilen der Stadt Luhansk das Trinkwasser rationiert, nachdem Wasserlieferungen von ukrainischer Seite wegen unbezahlter Rechnungen eingestellt wurden. Die “Volksrepublik” Luhansk nahm einen pro-ukrainischen Blogger fest und warf ihm Spionage vor. Der Anführer der “Volksrepublik” Donezk verlieh einem prominenten russischen Schauspieler die “Staatsangehörigkeit“.
Ausführlicher Überblick
- Ukraine dreht der “LNR” teilweise das Wasser ab
Mit Beginn des Monats machte die Ukraine zumindest teilweise ihre Drohung wahr, die Versorgung wegen unbezahlter Stromrechnungen zu kappen.
Hintergrund ist die Forderung Kiews, dass die “LNR” den Strom zum Betrieb zweier Pumpstationen auf ukrainischer Seite bezahlen soll – die Separatisten weigern sich, das zu tun (s. Newsletter Nr. 9).
Am 1. Dezember (Donnerstag) erklärte Wladislaw Deinego, ein führender Vertreter der Luhansker Separatisten, dass von ukrainischer Seite die Wasserlieferungen aus Petriwske (bei Stanitsja Luhanska) in die “LNR” eingestellt worden seien. Die “LNR”-Wasserwerke kündigten daraufhin an, dass die Versorgung in einigen Stadtteilen von Luhansk auf die Abendstunden rationiert werde.
Einen Tag später sagte Deinego, dass die ukrainisch kontrollierte Aufbereitungsanlage im Raum Lisitschansk ihre Wasserlieferungen in die “LNR” um die Hälfte reduziert habe.
Die OSZE-Beobachtermission bestätigte am 2. Dezember (Freitag), dass die Wasserversorgung der Stadt Luhansk reduziert worden sei, weil die Pumpstation Petriwske (bei Stanitsja Luhanska) angehalten wurde.
Dagegen hatte ein hoher ukrainischer Regierungsbeamter versichert, dass die Wasserversorgung der “LNR” auch ohne Bezahlung aufrechterhalten werde. Das sei eine Kulanzleistung, die aber nicht ewig so weitergehen könne, sagte der stellvertretende Minister für die “vorübergehend besetzten Gebiete” und ehemalige Gouverneur von Luhansk, Heorhij Tuka dem Online-Dienst “Ostro.”
Deinego, der die “LNR” bei den Verhandlungen der Kontaktgruppe aus Russland, Ukraine und der OSZE in Minsk vertritt, betonte, dass die Lage unter Kontrolle sei: Die “Volksrepublik” habe genug Reserven, um die Wasserversorgung auch im Falle einer völligen Einstellung sicherzustellen.
Nach Angaben der staatlichen Wasserwerke Luhansk kann die “LNR” bereits 84 Prozent ihres Wasserverbrauchs selbst decken. Lediglich 15 Prozent (zwischen 40.000 und 50.000 Kubikmeter pro Tag) würden derzeit aus ukrainisch kontrolliertem Gebiet bezogen.
Laut Deinego, fordert die Ukraine von der “LNR” 270 Millionen Hrywna (9,6 Millionen Euro) für unbezahlte Stromrechnungen. Erschwert werden die Verhandlungen laut “LNR” dadurch, dass Kiew sich weigert, einen Vertrag direkt mit den Separatisten abzuschließen, weil dies einer Anerkennung gleichkäme. Dem stellvertretenden Gouverneur von Luhansk, Wolodymyr Hutz, zufolge gibt es nur einen Ausweg – dass die Besatzungsmacht (Russland) bezahlt – “die Personen, die die Verantwortung für das Leben unserer Bürger auf sich genommen haben,” wurde Hutz von “Ostro” zitiert.
Die ukrainische Seite hatte bereits im Oktober angekündigt, wegen der Ausstände die Wasserversorgung zu kappen. Damals war das Internationale Komitee vom Roten Kreuz eingesprungen und hatte den Strom bis Ende November bezahlt. Das Rote Kreuz warnte vergangenen Monat, dass ohne eine Beilegung des Konflikts bis zu 600,000 Menschen von sauberem Wasser abgeschnitten sein könnten. Zudem bestehe die Gefahr, dass wasserbasierte Heizungssysteme ausfallen.
- Luhansker Blogger wegen “Spionage” festgenommen
Am 29. November teilte das “Staatssicherheitsministerium” der “Volksrepublik Luhansk mit, dass man einen Blogger festgenommen habe, der im Internet “extremistische” Texte verbreitet habe.
Der Blogger Eduard Nedeljajew, besser bekannt als “Edward Ned” bei Facebook, wurde der Spionage und des Hochverrats bezichtigt. Im Weiteren veröffentlichte das Ministerium sowie die offizielle Nachrichtenseite lug-info.com Videos seiner Vernehmung: Auf diesen Aufnahmen gibt er zu, militärische Daten der Separatisten an Vertreter des ukrainischen Geheimdienstes SBU weitergegeben sowie sich einer Partisanenbewegung anzuschließen geplant zu haben.
Nedeljajew ist einer der wenigen Bewohner der “Volksrepubliken,” der in sozialen Netzwerken noch relativ offen die dortigen Verhältnisse kritisierte. Im Juli tat er das auch in einem Interview der “Bild”-Zeitung. Seine Festnahme ist ein Zeichen dafür, dass solch offene Kritik mittlerweile ein hohes Risiko mit sich bringt.
Am 5. Dezember (Montag) berichtete die ukrainische Nachrichtensite liga.net unter Berufung auf den Geheimdienst SBU, dass die “LNR” angeboten habe, Nedeljajew gegen drei ihrer in der Ukraine inhaftierten Anhänger auszutauschen.
Der Fall Nedeljajew zeigt, wie schwer journalistische Arbeit innerhalb der Volksrepubliken geworden ist: Für die Bewohner ist es riskant, eine von den Machthabern abweichende Meinung öffentlich zu artikulieren, weil sie sonst schwerwiegende Konsequenzen befürchten müssen.
Diese Frage wurde vergangenen Monat auch von dem anonymen Blogger “Adolf Donezkij” in Donezk thematisiert, nachdem er eine Interviewanfrage des russischen TV-Senders Doschd erhalten hatte. Der Blogger stellt fest, dass es keine Sicherheitsgarantie für diejenigen Bewohner gibt, die offen reden wollen: “… denn es gibt in Donezk keine Menschenrechte seit 2014“.
- Ein Pass für Iwan Ochlobystin, kein Pass für Konstantin Dolgow
Unterdessen wurde in Donezk auf einem Facebook-Account relativ offen über die Entscheidung diskutiert, dem russischen Schauspieler Iwan Ochlobystin einen Pass und damit die Staatsbürgerschaft der “Volksrepublik” Donezk zu verleihen. Der TV-Darsteller und ehemalige Orthodoxe Priester Ochlobystin, der unter anderem wegen homophoben Äußerungen aufgefallen ist (2013 forderte er “Schwule im Ofen zu verbrennen”), hatte bei einem Auftritt in Rostow-am-Don “DNR”-Chef Alexander Sachartschenko auf Knien gebeten, ihm einen Pass auszustellen. Am 30. November (Mittwoch) kam Sachartschenko dieser Bitte nach.
Der ukrainische Geheimdienst SBU kündigte daraufhin ein Strafverfahren gegen Ochlobystin an, und zwar wegen “Gründung einer terroristischen Vereinigung”, wie Pressesprecherin Olena Hitljanska mitteilte.
Kritik an der Vergabe des Passes an Ochlobystin kam auch von Konstantin Dolgow, einem prominenten Donezker Journalisten und prorussischen Aktivisten, der eine Zeitlang Sprecher des “Außenministeriums” der “DNR” war. In einem Facebook-Post erzählt Dolgow, dass sein Antrag auf Staatsbürgerschaft gerade abgelehnt wurde. Zur Begründung heißt es in einem Schreiben des Chefs zuständigen Migrationsbehörde lediglich, dass Dolgow nicht zum Kreis (zur “Kategorie”) der Personen gehöre, die ein Recht auf einen Pass hätten.
Die “DNR” hatte im März dieses Jahres mit der Ausgabe eigener Ausweise begonnen. Bis Anfang November wurden nach offizieller Darstellung bereits 26.500 Dokumente ausgehändigt, mehr als 33.000 Passanträge sind in Bearbeitung. Mit dem Pass der international nicht anerkannten “Volksrepublik” kann man nach Angaben des “DNR” Justizministeriums in die Russische Föderation einreisen. Diese Information ist von russischer Seite bislang nicht offiziell bestätigt worden – es ist auch schwer vorstellbar, dass Russland Dokumente eines Staates anerkennt, ohne den Staat anzuerkennen.
Inoffiziell heißt es aber, dass Inhaber von Pässen von “DNR” und “LNR” (die “Volksrepublik Luhansk vergibt bereits seit Mai 2015 eigene Pässe) zumindest auf dem Landweg nach Russland einreisen und sich dort aufhalten dürfen. Unklar ist aber, ob sie dort denselben Regeln wie Ukrainer unterliegen, und nach 90 Tagen wieder ausreisen müssen. In einer langen Diskussion zu diesem Thema unter Dolgows Facebook-Post schreiben User, dass die russischen Behörden Inhabern solcher Pässe keine „Registrierung” (Meldebescheinigung) ausstellen.
Im russischen Parlament gibt es unterdessen Forderungen, Bewohnern der ostukrainischen “Volksrepubliken” russische Pässe auszuhändigen. Laut dem Donezker ex-Kommandeur Alexander Chodakowskij ist auch Wladislaw Surkow (Berater des russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Ostukraine) für einen solchen Schritt, er sei aber im Moskauer Beamtenapparat auf Widerstand gestoßen.
Die Ausstellung russischer Pässe an ukrainische Bürger würde ohne Zweifel eine schwere Belastung für die andauernden Friedensbemühungen bedeuten, weil dies gegen das Wort und den Geist des Minsker Vertrages verstößt, der ja die Wiedereingliederung der Separatistengebiete in die Ukraine vorsieht.