{"id":913,"date":"2017-02-09T09:27:46","date_gmt":"2017-02-09T08:27:46","guid":{"rendered":"https:\/\/civicmonitoring.org\/?p=913"},"modified":"2019-01-20T18:04:33","modified_gmt":"2019-01-20T17:04:33","slug":"entwicklungen-in-dnr-und-lnr-30-jan-06-feb-2017-newsletter-nr-18","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/civicmonitoring.org\/de\/entwicklungen-in-dnr-und-lnr-30-jan-06-feb-2017-newsletter-nr-18\/","title":{"rendered":"Entwicklungen in \u201eDNR\u201c und \u201eLNR\u201c: 30. Jan. \u2013 06. Feb. 2017 (Newsletter Nr. 18)"},"content":{"rendered":"
Verfasst von Nikolaus von Twickel<\/em><\/p>\n<\/div>\n<\/div>\n Zusammenfassung<\/b><\/p>\n Die vergangene Woche war gepr\u00e4gt von der schweren Eskalation der K\u00e4mpfe im Raum Awdiiwka, die h\u00e4ufig mit dem neuen US-Pr\u00e4sidenten Trump in Verbindung gebracht wurden. Aber auch ohne den milit\u00e4rischen Konflikt blieb es in den \u201eVolksrepubliken\u201c unruhig. In Donezk und Luhansk wurden prominente Kommandeure Opfer von Anschl\u00e4gen. Der ehemalige \u201eDNR\u201c-Parlamentschef verlor sein Abgeordnetenmandat.<\/em><\/p>\n Ausf\u00fchrlicher \u00dcberblick<\/b><\/p>\n Am 29. Januar (Sonntag) begann eine Serie au\u00dfergew\u00f6hnlich heftiger Artillerieduelle um die nord\u00f6stlich von Donezk gelegenen Stadt Awdiiwka, die bis Ende der Woche andauerten.<\/p>\n Auf Seiten der \u201eVolksrepublik\u201c Donezk wurden nach<\/a> Angaben<\/a> von Milit\u00e4rsprecher Eduard Basurin bis zum 7. Februar 22 Soldaten get\u00f6tet und weitere 28 verletzt. Die meisten Opfer \u2013 18 Tote und 26 Verletzte – gab es laut Basurin<\/a> zwischen dem 29. Januar und 3. Februar.<\/p>\n Auf der ukrainischen Seite wurden nach Angaben<\/a> des Nationalen Sicherheitsrates mindestens 10 Soldaten get\u00f6tet und weitere 51 verletzt. Sieben Opfer starben am 30. und 31. Januar<\/a>, weitere drei Soldaten – am 2. und 3. Februar<\/a>, wie Sicherheitsratssekret\u00e4r Oleksandr Turtschynow sagte.<\/p>\n Unter der Zivilbev\u00f6lkerung gab es auch viele Ofer. Die \u201eDNR\u201c- Im ukrainisch kontrollierten Awdiiwka wurden laut Polizei<\/a> mindestens drei Zivilisten get\u00f6tet und weitere 10 verletzt. 290 Einwohner mussten nach Angaben des ukrainischen Katastrophenschutzdienstes <\/a>ihre Wohnungen verlassen. Die K\u00e4mpfe brachten die Stadt mit derzeit etwa 25.000 Einwohnern an den Rand einer Katastrophe, weil bei Temperaturen von weit unter minus 10 Grad Celsius Wasser- und Stromversorgung sowie die Zentralheizung ausfielen.<\/p>\n Die Folgen der K\u00e4mpfe waren auch deshalb so gravierend, weil beide Seiten schwere Artillerie und Raketenwerfer aus Wohngebieten<\/a> heraus einsetzten, die so zum Ziel f\u00fcr die gegnerische Seite wurde, wie der stellvertretende Leiter der OSZE-Mission Alexander Hug erkl\u00e4rte<\/a>.<\/p>\n Aus den Tagesberichten der OSZE-Beobachter<\/a> l\u00e4sst sich herauslesen, dass sowohl die Ukraine als auch die Separatisten im Vorfeld das Minsker Abkommen brachen indem sie schwere Waffen an die \u201eKontaktlinie\u201c genannte Front verlegten. Am 31. Januar z\u00e4hlten die Beobachter<\/a> mehr als 10.330 Explosionen im gesamten Gebiet (Oblast) Donezk, so viele wie noch nie zuvor.<\/p>\n Beide Seiten machten sich gegenseitig f\u00fcr die Eskalation verantwortlich. Beobachter<\/a> wiesen darauf hin, dass die K\u00e4mpfe einen Tag nach dem ersten Telefongespr\u00e4ch des neuen US-Pr\u00e4sidenten Donald Trump mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin am 28. Januar begannen und am Tag von Trumps ersten Telefonat mit dem ukrainischen Pr\u00e4sidenten Petro Poroschenko, am 4. Februar<\/a>, abflauten.<\/p>\n \u201eDNR\u201c-Chef Alexander Sachartschenko stellte einen solchen Zusammenhang her, als er am 31. Januar (Dienstag) behauptete, dass die ukrainische F\u00fchrung aus Verzweiflung \u00fcber den Verlust der USA als Verb\u00fcndeten befohlen habe, nach Donezk vorzusto\u00dfen: \u201ePoroschenko gab den Befehl zum Angriff, weil er sah, dass die Ukraine nichts mehr zu verlieren hat,\u201c sagte er<\/a> bei einem Frontbesuch.<\/p>\n Ukrainische und pro-ukrainische Kommentatoren argumentierten<\/a> dagegen, dass die Aussicht einer neuen Partnerschaft zwischen Washington und Moskau die Separatisten beziehungsweise Russland ermutigt habe, anzugreifen.<\/p>\n In Trumps Telefonat mit Putin vereinbarten die beiden Pr\u00e4sidenten laut offiziellen Mitteilungen <\/a>das Verh\u00e4ltnis beider L\u00e4nder zu verbessern, w\u00e4hrend die Ukraine offenbar kaum vorkam. In seinem Telefonat mit Poroschenko versprach Trump<\/a> dagegen, bei der L\u00f6sung des Konflikts zu helfen.<\/p>\n Trotz der vorangegangenen K\u00e4mpfe erkl\u00e4rte Sachartschenko am 7. Februar (Dienstag), dass seine \u201eDNR\u201c am Minsker Abkommen festhalten wolle. Die Chancen, dass das Abkommen Bestand haben wird, st\u00fcnden bei \u201e50 zu 50\u201c, sagte er bei einem Treffen mit Studenten in Donezk, wie die \u201eDNR\u201c-Nachrichtenseite \u201eDAN\u201c berichtete<\/a>.<\/p>\n Sachartschenko, der in der Vergangenheit schon mal f\u00fcr milit\u00e4rische Vorst\u00f6\u00dfe nach Kiew oder sogar London pl\u00e4diert hatte (s. Newsletter Nr. 11<\/a>), ver\u00f6ffentlichte diesen Passus jedoch nicht auf seiner eigenen Website. Stattdessen standen dort Ausz\u00fcge<\/a> aus einem Gespr\u00e4ch mit Journalisten vom selben Tag, wo er von Angriffspl\u00e4nen Kiews spricht und warnt, dass \u201edie n\u00e4chste Offensive der ukrainischen Armee ihre letzte\u201c sein wird.<\/p>\n Der Donezker Separatistenf\u00fchrer sprach sich auch gegen die Einf\u00fchrung einer Wehrpflicht in der \u201eDNR\u201c aus. Wehrpflichtige seien blo\u00df Kanonenfutter, man setze daher zun\u00e4chst auf Freiwillige, wurde er von \u201eDAN\u201c zitiert<\/a>.<\/p>\n Die Ukraine und westliche Bobachter sind \u00fcberzeugt, dass Russland die Separatisten massiv mit Waffen und Freiwilligen unterst\u00fctzt. Darauf angesprochen, sagte<\/a> Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am 3. Februar (Freitag) lediglich, er hoffe, dass sie (die \u201eVolksrepubliken\u201c) genug Munition h\u00e4tten, um auf die aggressiven Aktionen der ukrainischen Streitkr\u00e4fte zu antworten. Ein Vizesprecher der russischen Staatsduma, Sergei Schelesnjak, erkl\u00e4rte<\/a> daraufhin, dass Peskows \u00c4u\u00dferung ruhig als Drohung zu verstehen sei.<\/p>\n Gleich zwei prominente Separatistenkommandeure wurden in der vergangenen Woche bei Anschl\u00e4gen get\u00f6tet. Am 8. Februar (Mittwoch) starb der \u201eDNR\u201c Feldkommandeur Michail Tolstych bei einer Explosion in Donezk. Bereits am 4. Februar (Samstag) kam in Luhansk der Chef der \u201eLNR-Volksmiliz\u201c, Oleg Anaschtschenko, durch eine Autobombe ums Leben. Die Separatisten beschuldigten in beiden F\u00e4llen ukrainische Sabotageeinheiten.<\/p>\n Der meist nur \u201eGiwi\u201c genannte Michail Tolstych wurde am fr\u00fchen Morgen im Hauptquartier seines Bataillons \u201eSomalia\u201c get\u00f6tet. Nach Angaben<\/a> des Donezker \u201eVerteidigungsministeriums\u201c wurde die Tat gegen 6 Uhr mit einem tragbaren Raketenwerfer vom Typ Schmel (\u201eHummel\u201c) ausgef\u00fchrt.<\/p>\n Der erst 36-J\u00e4hrige Giwi galt neben dem im Oktober get\u00f6teten Alexei Pawlow (\u201eMotorola\u201c) als der bekannteste Feldkommandeur der \u201eDNR\u201c. Beide hatten f\u00fchrende Rollen im Kampf um den Flughafen Donezk gespielt und waren wegen teils grausamer Ausf\u00e4lle bekannt geworden. So wurden im Januar 2015 Videos publik<\/a>, in denen Giwi ukrainische Gefangene misshandelt.<\/p>\n Sein Tod wirft die gleichen Fragen auf wie im Falle Motorolas, der am 16. Oktober bei einer Explosion in seinem Wohnhaus get\u00f6tet wurde (s. Newsletter Nr. 5<\/a>). Wenn ukrainische Spezialeinheiten tats\u00e4chlich unbehelligt in gut bewachten \u201eDNR\u201c-Geb\u00e4uden Anschl\u00e4ge ver\u00fcben k\u00f6nnten, ist unklar, warum sie sich politisch relativ unbedeutende Feldkommandeure als Ziel aussuchten. Gegen einen Konflikt innerhalb der Separatisten spricht wiederum, dass sich weder \u201eGiwi\u201c noch \u201eMotorola\u201c \u00f6ffentlich gegen die \u201eDNR\u201c-F\u00fchrung gestellt hatten.<\/p>\n Deshalb vermuteten ukrainische Kommentatoren, dass Moskau hinter den Anschl\u00e4gen stecke, m\u00f6glicherweise um die Einsetzung einer moderateren F\u00fchrung in den \u201eVolksrepubliken\u201c vorzubereiten. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies derartige Anschuldigungen noch am selben Tag zur\u00fcck<\/a>.<\/p>\n In Luhansk wurde unterdessen am Tag von Giwis Ermordung \u201eVolksmiliz\u201c-Chef Anaschtschenko beerdigt<\/a>. Der oberste Milit\u00e4r der \u201eVolksrepublik\u201c war vier Tage zuvor am Steuer seines Gel\u00e4ndewagens gestorben, als unter diesem eine Bombe explodierte. Nach Einsch\u00e4tzung<\/a> der OSZE-Mission hatte die Explosion eine St\u00e4rke von 4 bis 5 Kilogramm TNT (Dynamit).<\/p>\n Armee<\/a> und Geheimdienst<\/a> der \u201eLNR\u201c beschuldigten auch hier ukrainische Agenten der Tat, ohne aber Beweise zu pr\u00e4sentieren. Berichte<\/a> russischer Medien vom 6. Februar (Montag), wonach ein T\u00e4ter, angeblich<\/a> ein ukrainischer Offizier, gefasst wurde, wurden zun\u00e4chst nicht best\u00e4tigt.<\/p>\n Anaschtschenko war formell Kommandeur der \u201eVolksmiliz\u201c genannten \u201eLNR\u201c-Streitkr\u00e4fte. Sein politischer Einfluss d\u00fcrfte aber gering gewesen sein. So hat die \u201eVolksrepublik Luhansk anders als die benachbarte \u201eDNR\u201c kein Verteidigungsministerium.<\/p>\n Nur acht Tage vor dem Attentat auf Anaschtschenko war der erste \u201eLNR\u201c-Chef Waleri Bolotow pl\u00f6tzlich im Alter von 46 Jahren gestorben. Nach Darstellung mehrerer Vertrauter starb Bolotow am 27. Januar in seiner Moskauer Wohnung an Herzversagen (s. Newsletter Nr. 17<\/a>).<\/p>\n Bolotow sowie der im September mysteri\u00f6s ums Leben gekommene ehemalige \u201eLNR\u201c-Premier Gennadi Zypkalow galten als Gegner des jetzigen Luhansker Separatistenf\u00fchrers Igor Plotnizki. Bereits 2015 waren in der \u201eLNR\u201c mehrere Feldkommandeure, die Plotnizki offen kritisiert hatten, bei Anschl\u00e4gen ums Leben gekommen. Von Anaschtschenko waren allerdings keine offenen Auseinandersetzungen mit der \u201eLNR\u201c-F\u00fchrung bekannt.<\/p>\n In einem weiteren Akt interner \u201eS\u00e4uberungen\u201c entzog das \u201eDNR-Parlament\u201c am 6. Februar (Montag) seinem ehemaligen Vorsitzenden Andrei Purgin das Mandat. In der einstimmigen Entscheidung<\/a> hei\u00dft es, dass Purgin seine Vollmachten und Pflichten als Abgeordneter \u201esystematisch\u201c nicht nachgekommen sei.<\/p>\n Purgin geh\u00f6rte zu den ersten Anf\u00fchrern der Separatisten in Donezk und war bis Herbst 2015 Parlamentsvorsitzender. Damals wurde er wegen angeblich \u201estaatsgef\u00e4hrdenden T\u00e4tigkeiten\u201c abgesetzt und vom bis heute amtierenden Vorsitzenden Denis Puschilin abgel\u00f6st. Offiziell<\/a> blieb er aber einfacher Abgeordneter der Fraktion der Regierungspartei \u201eRepublik Donezk\u201c.<\/p>\n Purgin selbst schrieb bei VKontakte<\/a>, dass er seit September 2015 nicht mehr Abgeordneter sei und sich seiner Bewegung \u201eRepublik Donezk\u201c widme, die er bereits 2005 mitgegr\u00fcndet hatte. Der Mandatsentzug sei von Mitgliedern der gleichnamigen Bewegung initiiert worden, die aber keinen realen Bezug zu ihr h\u00e4tten.<\/p>\n Das russische Nachrichtenportal RBC ver\u00f6ffentlichte am 2. Februar eine Reportage<\/a>, wonach man mit P\u00e4ssen der \u201eDNR\u201c und \u201eLNR\u201c nicht nur nach Russland einreisen kann, sondern auch Inlandsfl\u00fcge buchen und Eisenbahntickets l\u00f6sen kann. Dies sind strenggenommen Verst\u00f6\u00dfe gegen russisches Recht, da Russland die \u201eVolksrepubliken\u201c offiziell nicht anerkennt und das Minsker Abkommen mitunterzeichnet hat, das die R\u00fcckkehr der von den Separatisten kontrollierten Gegenden in die Ukraine vorsieht.<\/p>\n Der \u201eDNR\u201c-Chefunterh\u00e4ndler f\u00fcr die Minsker Verhandlungen, Denis Puschilin sagte dem Bericht zufolge, dass Russland den \u201eB\u00fcrgern der Volksrepubliken\u201c entgegengekommen sei. Die Donezker Separatisten hatten 2016 mit der Ausgabe eigener P\u00e4sse begonnen, in Luhansk gibt es bereits seit 2015 P\u00e4sse der \u201eLNR\u201c (s. Newsletter Nr. 10<\/a>).<\/p>\n\n