{"id":901,"date":"2017-01-24T20:07:35","date_gmt":"2017-01-24T19:07:35","guid":{"rendered":"https:\/\/civicmonitoring.org\/?p=901"},"modified":"2019-01-16T14:55:36","modified_gmt":"2019-01-16T13:55:36","slug":"entwicklungen-in-dnr-und-lnr-18-24-jan-2017-newsletter-nr-16","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/civicmonitoring.org\/de\/entwicklungen-in-dnr-und-lnr-18-24-jan-2017-newsletter-nr-16\/","title":{"rendered":"Entwicklungen in \u201eDNR\u201c und \u201eLNR\u201c: 18. – 24. Jan. 2017 (Newsletter Nr. 16)"},"content":{"rendered":"
Nikolaus von Twickel<\/p>\n
\u00a0<\/strong>Zusammenfassung<\/strong> Ausf\u00fchrlicher \u00dcberblick<\/strong><\/p>\n Der Chef der \u201eVolksrepublik\u201d Luhansk, Igor Plotnizki, \u00fcberraschte am 18. Januar (Mittwoch) mit einer Erkl\u00e4rung, in der er sich praktisch vom Minsker Abkommen lossagte: Die \u201eLNR\u201d sei ein unabh\u00e4ngiger Staat, der niemals in die Ukraine zur\u00fcckkehren werde: \u201eWir haben den Zeiger auf die R\u00fcckkehr nach Hause gestellt – nach Russland, in die russische Welt,\u201d hei\u00dft es in der auf seiner Website ver\u00f6ffentlichten <\/a>Erkl\u00e4rung.<\/p>\n Plotnizki, der sich zum Zeitpunkt seiner Erkl\u00e4rung auf der von Russland annektierten Krim aufhielt, f\u00fcgte hinzu, auf der Halbinsel sp\u00fcre er die Einheit aller ethnischen Russen wie nie zuvor: \u201eDie R\u00fcckkehr der Krim nach Russland ist der erste und bisher einzige Pr\u00e4zedenzfall der Vereinigung des am Meisten geteilten Volkes der Welt (gemeint sind die Russen). Die Bewohner des Donbass aber haben am 11. Mai 2014 ebenfalls ihren Willen ausgedr\u00fcckt (die Ukraine zu verlassen – an diesem Tag hielten die Separatisten umstrittene Unabh\u00e4ngigkeitsreferenden ab) und best\u00e4tigen diesen Willen Tag f\u00fcr Tag mit ihrem heroischen Widerstand gegen die ukrainische Aggression.\u201d<\/p>\n Mit diesen Aussagen positioniert sich Plotnizki klar au\u00dferhalb des Abkommens von Minsk, das eine Reintegration der separatistischen \u201eVolksrepubliken\u201d in die Ukraine vorsieht.<\/p>\n Dieser Schritt ist bemerkenswert, weil Plotnizki bisher eigentlich als der etwas gem\u00e4\u00dfigtere unter den beiden ostukrainischen Separatistenf\u00fchrern galt. Seine Erkl\u00e4rung wurde – trotz oder gerade wegen ihrer Tragweite \u2013 von f\u00fchrenden Medien seiner \u201eVolksrepublik\u201d Luhansk ignoriert. Plotnizkis vermeintlich radikalerer Kollege aus Donezk, Alexander Sachartschenko, der zusammen mit ihm auf die Krim gereist war, verteidigte diesmal das Minsker Abkommen.<\/p>\n Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am 17. Januar (Dienstag) mit Plotnizki in der regionalen Hauptstadt Simferopol versprach Sachartschenko<\/a>, dass sowohl seine \u201eDNR\u201d als auch die \u201eLNR\u201d das Minsker Abkommen weiter umsetzen – auch wenn ihre Streitkr\u00e4fte lieber zum Angriff \u00fcbergehen w\u00fcrden: \u201eSolange es Minsk gibt, solange es die kleinste M\u00f6glichkeit gibt, diesen Konflikt friedlich zu l\u00f6sen, muss man sich daran klammern.\u201d Andernfalls, f\u00fcgte er hinzu, w\u00fcrden tausende Leben aufs Spiel gesetzt und es drohe die Vernichtung von Infrastruktur, die nachher wieder aufgebaut werden m\u00fcsse.<\/p>\n Andererseits sagte Sachartschenko auch, dass man dem Beispiel der Krim folgen und eine Einheit mit Russland herstellen wolle. \u201eIch bin \u00fcberzeugt, dass die k\u00fcnftige Vereinigung der russischen Welt in Donezk und Luhansk stattfinden wird\u201c, wurde er zitiert.<\/p>\n Mit dem Begriff \u201eRussische Welt\u201c hatte Russlands Pr\u00e4sident Wladimir Putin nach der Annexion der Krim 2014 f\u00fcr die Vereinigung russischsprachiger Regionen geworben.<\/p>\n Plotnizki betonte dass die Bewohner der Krim und des Donbass ein Volk seien. \u201eHeute folgen wir eurem Pfad und kehren zu unseren Br\u00fcdern zur\u00fcck. Wir sind alle Russen und haben dieselben Wurzeln\u201c, sagte er<\/a>.<\/p>\n Anlass der Krimreise der beiden Separatistenf\u00fchrer war der 363. Jahrestag des Vertrages von Perejaslaw. Im Januar 1654 in der Stadt Perejaslaw bei Kiew leisteten die Saporoger Kosaken dem Zaren einen Treueeid. In der russischen Geschichtsschreibung gilt dieser Tag als Datum der Vereinigung der Ukraine mit Russland.<\/p>\n <\/p>\n Plotnizkis Haltung zu Minsk h\u00e4ngt offenbar eng mit dem neuen US-Pr\u00e4sidenten Donald Trump zusammen. Der \u201eLNR\u201c-Chef wiederholte auf der Krim seine Theorie, dass sowohl das Schicksal des Friedensvertrags als auch das Schicksal des ukrainischen Pr\u00e4sidenten Petro Poroschenko nach Trumps Amtsantritt besiegelt seien. Noch sehe es so aus, als sei Poroschenko ohne Alternative: \u201eWenn sich das nach dem 20. (Januar) \u00e4ndert, wenn der neue Pr\u00e4sident (der USA) irgendwelche Entscheidungen trifft, dann bleibt ihm (Poroschenko) nur noch ganz wenig Zeit\u201d, sagte <\/a>Plotnizki in seiner Rede.<\/p>\n \u00c4hnlich hatte Plotnizki bereits eine Woche zuvor argumentiert, als er behauptete, dass sowohl der Minsker Vertrag als auch Poroschenko nach Trumps Amtsantritt \u201enicht mehr aktuell\u201d sein werden. \u201eMir scheint, dass sowohl die Vereinigten Staaten als auch das \u201eNormannische Quartett\u201d dieser Frage ein Ende setzen werden, sagte er<\/a> bei einer Pressekonferenz in Luhansk.<\/p>\n Sachartschenko vermied es dagegen Minsk zu erw\u00e4hnen, als er am 21. Januar (Samstag), einen Tag nach Trumps feierlichen Amtseinf\u00fchrung, dem neuen amerikanischen Pr\u00e4sidenten gratulierte.<\/p>\n \u201cIch gratuliere Donald Trump. Ich hoffe, dass er dem Prinzip des schlauen Egoismus folgen wird, auch in der Ukraine-Frage,\u201d schrieb <\/a>er mit dem Hashtag #TrumpInauguration<\/a> auf seinem sonst selten genutzten Twitter-Konto<\/a>. Etwas sp\u00e4ter erkl\u00e4rte Sachartschenko: damit sei gemeint, dass die USA sich aus der Ukraine zur\u00fcckziehen sollten, weil dies nur Kosten und Risiken bringe. \u201eBesser w\u00e4re es, Kiew mit uns an den Verhandlungstisch zu setzen,\u201d schrieb er<\/a>. Nach Lesart der Separatisten ist die derzeitige ukrainische F\u00fchrung eine Art Marionettenregierung der USA.<\/p>\n Ob Plotnizki mit seiner Prognose zu Minsk Recht beh\u00e4lt, bleibt abzuwarten. Der \u201eLNR\u201d-Chef hatte zuletzt in seiner eigenen \u201eVolksrepublik\u201d mit wachsendem Widerstand in den eigenen Reihen zu k\u00e4mpfen (s. Newsletter Nr. 15<\/a>). Das offizielle \u201eLNR\u201d Nachrichtenportal lug-info.com berichtete gar nicht \u00fcber seine Erkl\u00e4rung: die politischen Aspekte von Plotnizkis Krim-Reise wurden in einem Bericht \u00fcber eine Ausstellungser\u00f6ffnung<\/a> abgehandelt. Im \u201eStaatsfernsehen\u201c wurde die Erkl\u00e4rung von einem Ansager aus dem Off verlesen<\/a>, <\/u>in der Wochenschau<\/a> desselben Senders vom 22. Januar wurde sie nicht mehr erw\u00e4hnt.<\/p>\n <\/p>\n 3. \u201eLNR\u201c versch\u00e4rft Zollvorschriften im Verkehr mit \u201eDNR\u201c<\/p>\n W\u00e4hrend Sachartschenko und Plotnizki auf der Krim \u00fcber Wege zur Einheit aller Russen gesprochen haben, sieht die Realit\u00e4t im Donbass anders aus. Am 17. Januar (Dienstag) erkl\u00e4rte<\/a> die \u201eLNR\u201c-Regierung, dass die Zollvorschriften im Warenverkehr mit der \u201eDNR\u201c versch\u00e4rft werden. Demnach werden die Mengen, die zollfrei zwischen den \u201eVolksrepubliken\u201c mitgef\u00fchrt werden d\u00fcrfen, begrenzt \u2013 so d\u00fcrfen nur 3 Kilogramm Fleisch, 1 Liter Wodka und jeweils 50 Kilo Obst und Gem\u00fcse eingef\u00fchrt werden.<\/p>\n Die neuen Regeln sorgten nicht nur in der Ukraine f\u00fcr sarkastische<\/a> Kommentare<\/a>, sondern auch in Donezk, wo der prominente ex-Kommandeur Alexander Chodakowski von Anzeichen einer \u201eBananenrepublik\u201c sprach: So werde das Reisen zwischen \u201eDNR\u201c und LNR\u201c kaum einfacher als das passieren der Kontaktlinie in die (von Kiew kontrollierten Teile der) Ukraine, schrieb er auf Facebook<\/a>.<\/p>\n \u201eWas haben wir \u00fcber die Warteschlangen an der Grenze mit Russland geschimpft \u2013 jetzt gibt es die an der Grenze zwischen unseren eigenen, patriotischen und antifaschistischen Republiken,\u201c stellte Chodakowski in seinem Post fest.<\/p>\n Die Tatsache, dass zwischen den beiden \u201eVolksrepubliken\u201c Z\u00f6lle erhoben werden, ist auch deshalb pikant, weil ja dem Konflikt in der Ost-Ukraine die Maidan-Proteste vorausgingen, bei denen die Frage, ob die Ukraine einem Handelsabkommen mit der EU oder eine Zollunion mit Russland eingeht, eine zentrale Rolle spielte. Die Entscheidung von Pr\u00e4sident Viktor Janukowytsch zugunsten der Zollunion verzeichnete den Beginn der offenen Gewalt in der Ukraine.<\/p>\n F\u00fcr Chodakowski ist die Einf\u00fchrung des Zollregimes ein Zeichen daf\u00fcr, dass die Gegens\u00e4tze zwischen den Anf\u00fchrern der \u201eVolksrepubliken\u201c einen H\u00f6hepunkt erreicht haben: Sachartschenko sehe sich zwar als der St\u00e4rkere, aber Plotnizki sei nicht bereit, klein beizugeben, schreibt er auf Facebook. \u201eSolange er in den politischen Prozessen von Minsk eingebunden ist, genie\u00dft er ein gewisses Ma\u00df an Immunit\u00e4t,\u201c schrieb Chodakowski \u00fcber den \u201eLNR\u201c-Chef.<\/p>\n Sachartschenko selbst nannte w\u00e4hrend seiner Krim-Reise den Minsker Vertrag als Grund, warum \u201eLNR\u201c und \u201eDNR\u201c nicht vereinigt werden k\u00f6nnten: Er und Plotnizki h\u00e4tten den Vertrag als Staatsoberh\u00e4upter unterzeichnet. Eine wie auch immer geartete Vereinigung w\u00fcrde daher eine Ver\u00e4nderung des Minsker Formats bedeuten, \u201eund dazu sind wir derzeit nicht bereit\u201c, erkl\u00e4rte Sachartschenko der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti zufolge<\/a>.<\/p>\n Diese Theorie des \u201eDNR\u201c-Chefs wurde aber schnell widerlegt. Der aus Donezk stammende Publizist Roman Manekin erinnerte daran<\/a>, dass Sachartschenko und Plotnizki zwar die einzelnen<\/a> Teile<\/a> des Minsker Vertrages<\/a> unterschrieben haben, jedoch im Gegensatz zu den anderen Unterzeichnern blo\u00df als Einzelpersonen, ohne Angabe ihrer Funktion. Dies sei unter Druck des Kremls geschehen. Manekin betont, dass der Vertragstext explizit keine \u201eVolksrepubliken\u201c erw\u00e4hnt, sondern \u201eBestimmte Regionen der Gebiete Donezk und Luhansk\u201c.<\/p>\n
\nIn der vergangenen Woche reisten die Chefs der \u201eVolksrepubliken\u201c auf die von Russland annektierte Krim. \u201eLNR\u201c-Chef Plotnizki und sein Donezker Kollege Sachartschenko redeten offen davon, dass der Donbass bald wie die Krim zu Russland \u201ezur\u00fcckkehren\u201c solle. Plotnizki stellte sogar das Minsker Abkommen direkt in Frage, das, wie er findet, unter dem neuen US-Pr\u00e4sidenten nicht mehr aktuell sein wird. Gleichzeitig wurden sch\u00e4rfere Zollvorschriften zwischen \u201eLNR und \u201eDNR\u201c bekannt.<\/em><\/p>\n\n
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