{"id":881,"date":"2016-12-28T22:26:01","date_gmt":"2016-12-28T21:26:01","guid":{"rendered":"https:\/\/civicmonitoring.org\/?p=881"},"modified":"2019-01-16T14:55:36","modified_gmt":"2019-01-16T13:55:36","slug":"entwicklungen-in-dnr-und-lnr-20-dez-26-dez-2016-newsletter-nr-13","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/civicmonitoring.org\/de\/entwicklungen-in-dnr-und-lnr-20-dez-26-dez-2016-newsletter-nr-13\/","title":{"rendered":"Entwicklungen in \u201eDNR\u201c und \u201eLNR\u201c: 20. Dez. – 26. Dez. 2016 (Newsletter Nr. 13)"},"content":{"rendered":"
Nikolaus von Twickel<\/p>\n
Zusammenfassung<\/strong><\/p>\n Das \u201eLNR\u201c-Parlament missbilligte die Arbeit von \u201ePremierminister\u201c Sergei Koslow.<\/em> Der Absturz einer russischen Tu-154 \u00fcber dem Schwarzen Meer l\u00f6ste in den \u201eVolkrepubliken\u201c gr\u00f6\u00dfere Beileidsbekundungen aus, w\u00e4hrend die Ukraine dazu offiziell schwieg. Die Ukraine und die Separatisten erkl\u00e4rten sich bereit, weitere Gefangene freizulassen, es kam aber bisher kein Austausch zustande. In Luhansk wurde ein weiterer Blogger wegen Kritik an der \u201eVolksrepublik\u201c festgenommen. <\/em>Schwere K\u00e4mpfe bei der Stadt Debalzewe setzen sich fort.<\/em><\/p>\n Ausf\u00fchrlicher \u00dcberblick<\/strong><\/p>\n In der \u201eVolksrepublik\u201c Luhansk ist erneut offener Streit innerhalb der F\u00fchrungselite ausgebrochen. Am 23. Dezember (Freitag) ver\u00f6ffentlichte Republikchef Igor Plotnizkij eine Erkl\u00e4rung<\/a>, in der er eine Entscheidung des \u201eParlaments\u201c unterst\u00fctzt, die Arbeit von \u201ePremierminister\u201c Sergei Koslow nicht gutzuhei\u00dfen.<\/p>\n Am Vortag hatte das Parlament in einer Plenarsitzung Koslows Jahresbericht angeh\u00f6rt<\/a>. In der anschlie\u00dfenden Fragestunde hatte Koslow auf Fragen der Abgeordneten nicht antworten k\u00f6nnen, erkl\u00e4rte Plotnizkij.<\/p>\n Die Entscheidung bedeutet nichts Gutes f\u00fcr Koslow<\/a>, der im Januar den Premierminister-Posten angetreten hatte. Sein Vorg\u00e4nger Gennadij Zypkalow wurde im September wegen eines angeblichen Umsturzversuchs verhaftet und starb kurz darauf unter mysteri\u00f6sen Umst\u00e4nden in seiner Zelle (s. Newsletter Nr. 1<\/a>).<\/p>\n Allerdings scheint Koslow in der chronisch zerstrittenen \u201eLNR\u201c-F\u00fchrung noch Unterst\u00fctzer zu haben. Indiz daf\u00fcr ist die Tatsache, dass weder die Parlamentsentscheidung noch Plotnizkijs anschlie\u00dfende Erkl\u00e4rung auf der offiziellen Nachrichtenwebsite der \u201eVolksrepublik\u201c, lug-info.com<\/a> erw\u00e4hnt wurden. Auch die Website lugansk1.info<\/a>, die als Sprachrohr des Staatsssicherheitsministeriums (\u201eMGB\u201c) gilt, hat dazu nichts ver\u00f6ffentlicht<\/a>. Der Chef des \u201eMGB\u201c, Leonid Passjotschnik, gilt als interner Widersacher Plotnizkijs (s. Newsletter Nr. 1<\/a>).<\/p>\n Der im russischen Exil lebende ehemalige \u201eLNR\u201c-Parlamentschef Alexei Karjakin, der im Zuge des \u201eUmsturzversuches\u201c von den Separatisten zur Fahndung ausgeschrieben wurde, nannte die Aff\u00e4re<\/a> ein Anzeichen f\u00fcr den Grad der Verlogenheit der Eliten \u201eVolksrepublik\u201c.<\/p>\n <\/p>\n Der Absturz einer Tupolew-154 des russischen Verteidigungsministeriums \u00fcber dem Schwarzen Meer am 25. Dezember (Montag) mit 92 Toten hat in den beiden \u201eVolksrepubliken\u201d einen regelrechten Wettbewerb \u00f6ffentlicher Trauerbekundungen ausgel\u00f6st – ganz im Gegensatz zur Ukraine, wo es seitens der Regierung keinerlei Beleidsbekundungen<\/a> gab.<\/p>\n In Donezk erkl\u00e4rte <\/a>\u201cRepublikchef\u201d Alexander Sachartschenko, dass man \u201egemeinsam mit dem gesamten russischen Volk schockiert\u201d von dem Absturz sei: \u201eIm Angesicht solcher Pr\u00fcfungen r\u00fcckt \u00a0das russische Volk zusammen, verbunden durch uralte, helfende Instinkte.\u201d<\/p>\n Wohlgemerkt benutzte Sachartschenko nicht das Wort \u201erossiiskij\u201c (\u201erussl\u00e4ndisch\u201c bezieht sich auf die B\u00fcrger der Russischen F\u00f6deration) sondern \u201erusskij\u201c, womit er die Gemeinschaft der ethnischen Russen meinte, die ja auch die Donbass-Bewohner mit einschlie\u00dfen kann.<\/p>\n Am gleichen Tag meldete <\/a>die offizielle Nachrichtenagentur \u201eDAN\u201d, dass hunderte Menschen an einer Trauerkundgebung in Donezk teilgenommen h\u00e4tten. F\u00fcr den 26. Dezember verf\u00fcgte<\/a> Sachartschenko, dass in der \u201eVolksrepublik\u201d Staatstrauer herrscht, genauso wie in Russland.<\/p>\n In der Volksrepublik Luhansk wurde zwar keine Staatstrauer verh\u00e4ngt, doch auch hier berichtete die offizielle Nachrichtensite lug-info.com, dass B\u00fcrger der \u201eLNR\u201d in Luhansk<\/a> und in Krasny Lutsch<\/a> \u00f6ffentlich ihr Beileid bekundeten. Republikchef Igor Plotnizkij erkl\u00e4rte<\/a>, man empfinde in der \u201eLNR\u201d \u201etiefen Schmerz\u201d \u00fcber das Ungl\u00fcck, erw\u00e4hnte aber weder Russland noch das russische Volk.<\/p>\n Wegen der Ermordung des russischen Botschafters in der T\u00fcrkei hatte Plotnizkij am 20. Dezember (Dienstag) ein Beileidschreiben<\/a> an den russischen Au\u00dfenminister Sergei Lawrow ver\u00f6ffentlicht. Sachartschenko hatte sich dazu nicht ge\u00e4u\u00dfert.<\/p>\n Insgesamt veranschaulichen die beiden Ungl\u00fccke den aktuellen Beziehungsstand zu Russland: W\u00e4hrend sich die Separatistengebiete emotional zu Russland geh\u00f6rig f\u00fchlen, lehnt die Ukraine jede emotionale N\u00e4he zu Moskau komplett ab.<\/p>\n <\/p>\n Am 26. Dezember (Dienstag) k\u00fcndigten<\/a> die Chefs der Volksrepubliken Donezk und Luhansk an, dass sie als \u201eGeste des guten Willens\u201d der ukrainischen Parlamentsabgeordneten Nadja Sawtschenko zwei weibliche Gefangene \u00fcbergeben werden.<\/p>\n In einem Seitenhieb an den \u00a0ukrainischen Pr\u00e4sidenten Petro Poroschenko“ schreiben <\/a>Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizkij in ihrer gemeinsamen Erkl\u00e4rung, dass ukrainische Frauen f\u00e4higer seien, politische und wirtschaftliche Probleme zu l\u00f6sen und manchmal auch, das Land zu regieren.<\/p>\n Eine der beiden Freigelassenen ist die Journalistin Olga Sworak aus der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk, die im Juni von den Separatisten in Luhansk gefangen genommen und als Spionin des ukrainischen Geheimdienstes SBU vorgef\u00fchrt worden war<\/a>. Sworak behauptet in einem Video<\/a>, dass sie vom SBU in Kiew angeworben worden sei. (Eine ausf\u00fchrliche Diskussion des Videos hat damals die Nachrichten-Site Ostro.org ver\u00f6ffentlicht<\/a>)<\/p>\n Sachartschenko erkl\u00e4rte auf Twitter<\/a>, dass man die beiden freilasse, weil \u201eniemand sie brauche\u201d.<\/p>\n Bei der \u00dcbergabe der beiden Gefangenen an die Ukraine trat Sawtschenko allerdings nicht in Erscheinung<\/a>. Die ehemalige russische Kriegsgefangene hatte f\u00fcr Unmut gesorgt, als sie im November offenbar ohne Absprache mit der ukrainischen Regierung Gespr\u00e4che \u00fcber Gefangene mit Sachartschenko und Plotnitskij in Minsk f\u00fchrte.<\/p>\n Kiews Beauftragte f\u00fcr die Gefangenen-Verhandlungen, die Parlamentsabgeordnete Iryna Heraschtschenko, erkl\u00e4rte<\/a>, dass man \u00fcber jeden einzelnen Freigelassenen froh sei und dass die Ukraine ihrerseits als \u201eNeujahrsgeste\u201d 15 Gefangene an die Separatisten \u00fcbergeben werde.<\/p>\n Heraschtschenko vermied es aber, die 15 zu \u00fcbergebenden Gefangenen in Zusammenhang mit den zwei Freigelassenen zu bringen, die ja laut Sachartschenko und Plotnizkij auf Sawtschenkos Intitiative zur\u00fcckgehen.<\/p>\n Wenn es dabei bleibt, gibt es zum Jahresende keinen Gefangenenaustausch, sondern lediglich je eine \u201eGeste guten Willens\u201d von jeder Seite (unklar ist, ob f\u00fcr den in der Vorwoche freigelassenen ukrainischen Soldaten Taras Kolodij einen Austausch gab). In Minsk war zuletzt um einen Gefangenenaustausch von 228 gegen 42 verhandelt worden (s. Newsletter Nr. 12<\/a>).<\/p>\n <\/p>\n Das \u201eStaatssicherheitsministerium\u201d der \u201eVolksrepublik\u201d Luhansk teilte am 26. Dezember (Montag) mit<\/a>, dass ein weiterer Blogger festgenommen worden sei, weil er \u201eextremistische\u201c Posts verbreitet habe.<\/p>\n Gennadij Benizkij aus Luhansk habe auf Facebook negatives Material \u00fcber B\u00fcrger und staatliche Organe der \u201eLNR\u201d, darunter Republikchef Igor Plotnizkij verbreitet, erkl\u00e4rte die als \u201eMGB\u201d bekannte Beh\u00f6rde.<\/p>\n Benizkij, dessen Facebook-Account<\/a> ein \u201eLuhansk ist Ukraine\u201d-Profilbild und mehrere \u00f6ffentliche \u201eIch-liebe-Ukraine\u201d-Fotos enth\u00e4lt, hatte in der Vergangenheit mehrmals seine Ablehnung der \u201eLNR\u201d in ukrainischen Medien verbreiten lassen \u2013 so im November 2015 in Kiew<\/a> und im Juni 2016 auf der ukrainischen Blogging-Plattform glavpost.com<\/a>. Die Nachrichten-Site Ostro.org kommentierte<\/a>, dass seine Facebook-Posts nicht extremistisch sondern ironisch seien.<\/p>\n Das Luhansker \u201eMGB\u201c sagte, dass man Benizkij im Zuge der Ermittlungen gegen Eduard Nedeljajew gefasst habe. Nedeljajew war Ende November ebenfalls wegen Facebook-Posts festgenommen und der Spionage f\u00fcr die ukrainische Seite beschuldigt worden (s. Newsletter Nr. 10<\/a>).<\/p>\n Im Gegensatz zu Nedeljajew wurden von Benizkij zun\u00e4chst keine Videos mit \u201eGest\u00e4ndnissen\u201d ver\u00f6ffentlicht und \u201enur\u201d ein Verfahren wegen Anstachelung zum Hass er\u00f6ffnet<\/a>.<\/p>\n Dennoch d\u00fcrfte der Fall das Risiko offener Meinungs\u00e4u\u00dferungen und Kritik an den Machthabern in der \u201eVolksrepubliken\u201d weiter anheben. <\/p>\n Seit mehr als zwei Wochen gibt es wieder schwere K\u00e4mpfe zwischen den St\u00e4dten Debalzewe und Switlodarsk. Die bewaffneten Auseinandersetzungen finden haupts\u00e4chlich auf der gro\u00dfen Ebene zwischen den beiden St\u00e4dten, genannt \u201eSwitlodarsker Bogen\u201c statt.<\/p>\n Die K\u00e4mpfe begannen offenbar in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember \u2013 damals verzeichnete<\/a> die OSZE-Beobachtermission Feuer aus Raketenwerfern von nordwestlich ihrer Basis im ukrainisch kontrollierten Switlodarsk.<\/p>\n\n
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\nDessen ungeachtet legte Alexander Chodakowskij, einer der sch\u00e4rfsten internen Kritiker der \u201eDNR\u201d, in diesen Tagen ein neues Facebook-Profil<\/a> an. Das Profil war zun\u00e4chst nicht verifiziert, wurde aber von anderen Separatisten verbreitet.<\/p>\n\n