Von Nikolaus von Twickel
Zusammenfassung
Die vergangene Woche in der Ostukraine war dominiert von zahlreichen Berichten über einen Anstieg der Kämpfe zwischen Separatisten und Regierungstruppen. Der Westen unternahm währenddessen erneut Anstrengungen, den Konflikt zu entschärfen und das Minsker Abkommen zu retten. In diese Lage platzte am Sonntagabend die Nachricht, dass einer der bekanntesten Feldkommandeure der “Volksrepublik Donezk” getötet worden sei.
Ausführlicher Überblick
- Ermordung von “Motorola”
Am Sonntag gegen 23:00 Uhr Moskauer Zeit meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax, dass Arseni Pawlow, besser bekannt als “Motorola”, bei einer Explosion in Donezk getötet worden sei.
Dem Bericht zufolge explodierte eine Bombe im Aufzug von Pawlows Wohnblock, als dieser ihn benutze. Wenig später bestätigte dies Denis Puschilin, der Parlamentsvorsitzende und Chefunterhändler der “Volksrepublik Donezk” der offiziellen Nachrichtensite DAN.
Pawlow, russischer Staatsbürger, spielte als Kommandeur eines “Sparta” genannten Bataillons vor allem in den Kämpfen um den Donezker Flughafen eine bedeutende Rolle. In der Ukraine wurde er vor allem für ein Interview verurteilt, in dem er sich brüstet, Gefangene umgebracht zu haben. Seinen ersten großen Auftritt hatte er im Juli 2014: Seine Vermählung mit einer Einheimischen im damals von den Separatisten kontrollierten Slowiansk wurde in russischen Medien als “erste Hochzeit der Volksrepublik Donezk” bezeichnet.
Puschilin und der Donezker Separatistenführer Alexander Sachartschenko machten ukrainische Agenten für Pawlows Ermordung verantwortlich. “Petro Poroschenko hat den Waffenstillstand gebrochen und uns den Krieg erklärt,” sagte Sachartschenko in einer Erklärung an die Adresse des ukrainischen Präsidenten.
Pawlow war nach Angaben des Donezker Separatistenführers Alexander Sachartschenko bereits im Juni Ziel eines Anschlags. Damals war ein Sprengsatz in einer Donezker Klinik explodiert, es gab aber keine Verletzte.
“Motorola” ist der erste prominente Vertreter der “Volksrepublik Donezk” (“DNR”), der gewaltsam ums Leben gekommen ist. Bisher konnten abgesetzte “DNR”-Anführer wie ex-Parlamentschef Andrei Purgin und ex-Außenminister Alexander Kofman relativ unbehelligt weiterleben. Lediglich im Fall des Anfang 2016 geschassten Wahlkomissionchefs Roman Ljagin gab es Berichte, dass er geschlagen und eingesperrt wurde.
Ukrainische Medien verweisen auf die insgesamt steigende Zahl von getöteten oder geflohenen Separatistenführern. Die Mehrzahl der Todesopfer gab es in der “Volksrepublik Luhansk”, wo zuletzt der ehemalige “Premierminister” Gennadi Zypkalow auf mysteriöse Weise ums Leben kam: Offiziell hat er sich nach einem Verhör erhängt, sein Weggefährte Alexei Karjakin behauptet aber, dass Zypkalow ermordet wurde.
Karjakin und Zypkalow wurden im September von den Luhansker Machthabern beschuldigt, einen bewaffneten Umsturz geplant zu haben. Dies weist der nach Russland geflohene Karjakin zurück. Im Zusammenhang mit diesem “Putschversuch” kam auch der Name “Motorola” wieder vor, als Sachartschenko behauptete, dass er den Kommandeur mit seinem Bataillon in die Nachbarrepublik zur Hilfe geschickt habe.
2. Zunahme von Spannungen und diplomatischen Anstrengungen
In der Woche gab es wieder mehr Meldungen von beiden Seiten über eine bevorstehende oder bereits begonnene Eskalation der Kämpfe. Wie auch schon in der Vergangenheit gab es einen engen zeitlichen Zusammenhang mit einer neuen diplomatischen Initiative sowie gehörige Zweifel an einigen Eskalationsberichten.
Am Donnerstag erklärte das ukrainische Militär, dass das “Entflechtungsabkommen” im Raum Stanyzia Luhanska erneut gescheitert ist, weil der Beschuss dort zunimmt. Den Höhepunkt markierte aber “DNR”-Chef Alexander Sachartschenko, der am gleichen Tag behauptete, dass seine Leute “kürzlich” von einem ukrainischen Kampfhubschrauber angegriffen wurden. Man habe den Hubschrauber beschossen und so beschädigt, dass er auf ukrainisch kontrolliertem Gebiet landen müsste, so Sachartschenko weiter.
Sachartschenkos Militärsprecher Eduard Basurin kündigte zudem einen Tag später an, dass sich NATO-Militärausbilder in dem Hubschrauber befunden hatten. Basurin behauptete, dass der Helikopter bei Krasnohorivke, unmittelbar westlich von Donezk gelandet sei. Solcher Hubschrauberflug würde gegen das Minsker Abkommen verstoßen und müsste auch den OSZE Beobachtern auffallen, in deren Berichten findet sich aber nichts dazu. Dennoch hat die Londoner Boulevardzeitung “Sun” eine Story draus gemacht.
Währenddessen liefen in Berlin und Paris neuerliche Anstrengungen, Gespräche im sogenannten Normandie-Format wiederzubeleben. Nach einer Meldung von Interfax.ru verlief ein Treffen auf Abteilungsleiterebene am Samstag in Minsk ergebnislos, so dass alle Augen auf ein mögliches Treffen von Russlands Präsident Wladimir Putin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin diese Woche gerichtet sind.