Verfasst von Nikolaus von Twickel
Zusammenfassung
Am 2. November 2016 war der zweite Jahrestag der Wahlen, auf die die Separatisten der „Volksrepubliken“ ihre Macht begründen. Die Ukraine und der Westen hatten diese Wahlen für illegal erklärt. In der vergangenen Woche nahmen die beiden Republikchefs den zweiten Jahrestag zum Anlass, um sich in der Öffentlichkeit zu profilieren – sie nutzten die Gelegenheit ganz unterschiedlich. Unterdessen meldete sich der ehemalige Donezker “Verteidungsminister” Igor Strelkov zurück und warnte davor, den Separatisten als Freiwilliger zu dienen. “Kommunikationsminister” Viktor Jazenko teilte mit, dass in der “DNR” bereits mehr als eine halbe Million eigener Briefmarken verkauft wurden.
Ausführlicher Überblick
- Der Jahrestag in Donezk
In der “Volksrepublik” Donezk (“DNR”) wurde am Freitag (4. November) eine Frage-Antwort Konferenz “Direkter Dialog” mit Republikchef Sachartschenko vor geladenem Publikum organisiert, in dem dieser Lobeshymnen für sein zweijähriges Amtsjubiläum entgegennahm. Sachartschenkos Antworten auf ausgewählte Fragen wurden dann scheibchenweise von der offiziellen Nachrichtenagentur “DAN” und der offiziellen “DNR” Website dnr-online.ru/ veröffentlicht:
- Zu den jüngsten Friedensverhandlungen sagte Sachartschenko, dass er das “Normannische Format” (Frankreich, Deutschland, Russland und die Ukraine) für “unlogisch” hält, weil mit der Ukraine der “Agressor” dabei sitzt, die “DNR” aber nicht vertreten ist. Er erwartet, dass das Format bis Ende des Jahres im Sinne der Separatisten verändert wird – entweder solle die Ukraine ausgeschlossen werden, oder “DNR” und “LNR” dazukommen. Putin habe entsprechende Äußerungen während des Valdai-Forums gemacht. Tatsächlich hat Putin während des Forums am 27. Oktober gesagt, dass er nicht gegen eine Ausweitung des Formats ist. Er bezog sich aber auf die Einbeziehung der USA.
- Die “Primaries” genannten Vorwahlen vom 2. Oktober waren laut Sachartschenko die Reaktion auf Vorwürfe, dass die “DNR” keine Eigenständigkeit habe und keine für die Durchführung von Wahlen notwendige Sicherheit garantieren könne.
- Die für den 2. November geplanten Wahlen seien abgesagt worden, um die Chance der Umsetzung des Minsker Abkommens zu wahren. Die (bereits dreimal aufgeschobene) Abstimmung soll im Jahr 2017 endlich stattfinden – entweder gemäß Minsk (also nach ukrainischem Recht), oder eigenständig (d.h. ohne die Teilnahme ukrainischer Parteien und in ukrainisch kontrolliertes Gebiet geflohener Wähler). “Wir haben keine Angst vor Wahlen, auch mit Beobachtern, denn am Ende gewinnen wir, sowohl politisch als auch militärisch,” erklärte Sachartschenko.
- Macht ist für Sachartschenko kein Vertrag, sondern “Dienst am Volk”.
Die Frage-Antwort Konferenz “Direkter Dialog” erinnert ein wenig an die jährliche TV-Show des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die auch streng nach Drehbuch abläuft. Während der 51 Minuten sieht man nur Vertreter von “DNR”-Medien, des sog. Informationsministeriums sowie Bergwerksarbeiter, Lehrer und Mütter. Den letzteren verspricht Sachartschenko, ihre Probleme persönlich zu lösen, indem er die zuständigen “Minister” zur Rede stellt.
Immerhin räumte er ein, dass es eine Masse Probleme mit der Wirtschaft und “niedrigem Lebensstandard” gibt. “Aber dagegen kämpfen wir,” behauptete Sachartschenko und versprach etwa, dass ab 25. Dezember pensionierte Bergarbeiter kostenlos Kohle erhalten sollen.
Wohl nicht zufällig fällt die Image-Veranstaltung mit einer Erneuerung der Internetauftritte Sachartschenkos zusammen. Am Montag wurde seine modernisierte Homepage freigeschaltet, es gibt jetzt einen Twitter-Account, der aber bis Montag gerade mal neun Tweets und wenig mehr als 230 Follower hatte. Sachartschenkos VKontakte account, der seit 2015 existiert, hat immerhin knapp 6.700 Abonnenten. Hier wurden aber bislang nur ausgewählte Texte gepostet, und das oft mit großer Verzögerung (z.B. die Ankündigung “Sachartschenko eröffnet Shopping-Center!” wurde am Montagmittag gepostet – zwei Tage nach dem Ereignis).
2. Der Jahrestag in Luhansk
In Luhansk prangerte Republikchef Igor Plotnizkij am Montag in einer polternden Rede vor dem “Parlament” den “blutigen Terror” der “faschistischen Junta” in Kiew an, die auf Geheiß von USA und NATO die russisch-ukrainische Bruderschaft zerstören wolle.
Plotnizkij, der in seiner “Volksrepublik” in den vergangenen Monaten einen Putschversuch vereitelt sowie ein Attentat überlebt haben will, ist offenbar mehr als Sachartschenko daran interessiert, den äußeren Feind zu thematisieren: “Versuche Kiews, die “LNR” zu destabilisieren, sind gescheitert,” wetterte er in seiner Rede. Gleichzeitig fügte er hinzu, dass die Republik notfalls bereit wäre, auf innere und äußere Bedrohungen entsprechend zu reagieren.” Plotnizkijs Sicherheitsdienste hatten im Oktober zwei ehemalige hohe Funktionäre für den Putschversuch verantwortlich gemacht und festgenommen, darunter ein ehemaliger „Premierminister“ der anschließend im Gefängnis ums Leben kam.
In derselben Rede gab sich Plotnizkij aber auch staatsmännisch, wenn er die Umsetzung der Minsker Abkommen als “Hauptinstrument einer politischen Lösung” bezeichnete. Einen anderen Weg gibt es nicht und kann es nicht geben, sagte er.
Dagegen scheint “LNR”-Parlamentschef Wladimir Degtarjow das Minsker Abkommen nicht gelesen zu haben, in dem eine politische Reintegration in die Ukraine vorgesehen ist. Am selben Tag erklärte er, dass die “Volksrepublik Luhansk” alle Möglichkeiten besitzt, um “ein blühender Staat zu werden und Anerkennung der Weltgemeinschaft zu erhalten.” Als Beleg nannte Degtarjow die Zahl der Plenarsitzungen (95) und der registrierten Gesetzesvorhaben (339).
Ganz ähnlich wie Sachartschenko macht sich Plotnizkij Sorgen um die Wirtschaft seiner “Volksrepublik”. In seiner Rede erklärte er 2017 zum Jahr der ökonomischen Transformation, in dem die Schattenwirtschaft (Betriebe, die keine Steuern zahlen) besiegt werden soll. Deren Umfang beziffert Plotnizkij auf 1 Milliarde Rubel (14 Millionen Euro, vermutlich jährlich): “Hauptziel ist, dieses Geld aus dem Dunklen zu holen,” sagte er. Dies soll nicht mit Gewalt, sondern in Zusammenarbeit mit den Unternehmern passieren.
Plotnizkij behauptete auch, dass der Kohlesektor in der “LNR” weitgehend wiederhergestellt sei: Alle sieben Minen der (staatlichen) Firma Donbassantrazit haben die Förderung wieder aufgenommen, bei “Zentrugol” förderten fünf von neun Minen.
3. Strelkov rät davon ab, für die „DNR” und „LNR“ zu kämpfen
Der russische Nationalist und ehemalige Verteidiungsminister von „DNR“ Igor Girkin (besser bekannt unter seinem Pseudonym Strelkov) erklärte in der vergangenen Woche, dass er niemandem rät, sich den ostukrainischen Separatisten anzuschließen: Die“Volksrepubliken” hätten das Minsker Abkommen unterzeichnet, das deren Rückführung in die Ukraine vorsieht. “Ich denke, dass es keinen Sinn hat, dass Freiwillige (ins Kriegsgebiet) zurückkehren. Für die Rückkehr in eine einige Ukraine kämpfen? Die Freiwilligen, die mit mir gekommen sind, haben für den Anschluss an Russland gekämpft“, sagte Strelkov in einem YouTube Video.
Zuvor hatte der Militärkommissar der “DNR“, Alexander Malkowskij, ehemalige Freiwillige dazu aufgerufen, in die Armee der “Volksrepublik” einzutreten. Die ukrainische Nachrichtensite Ostro hat dazu die ablehnenden Reaktionen anderer ehemaliger Kämpfer zusammengetragen. Der Tenor: Wozu kämpfen, wenn es keine Idee mehr gibt?
Girkin gilt als einer der Urheber des Konflikts, weil er am 12. April 2014 mit einer Gruppe Bewaffneter aus Russland in Slowjansk eintraf. Die von ihm geleitete Besetzung von Polizei und anderer Behörden der Stadt kann als Beginn der militärischen Phase des Konflikts gewertet werden.
4. Briefmarken
Sowohl in Donezk als auch in Luhansk haben die Separatisten voriges Jahr begonnen, eigene Briefmarken zu drucken. Obwohl das Brief- und Paketaufkommen wegen des bewaffneten Konflikts wohl stark gefallen ist und man mit diesen Briefmarken keine internationalen Sendungen frankieren kann, ist man in der “DNR” stolz auf eine hohe Auflage. Am 5. November (Samstag) teilte “Kommunikationsminister” Viktor Jazenko mit, dass man bis dato 50 Briefmarken in einer Gesamtauflage von 600.000 Stück verkauft habe.
In der “LNR” sind es nicht so viel: Die dortige Post kündigte auf ihrer Website an, dass es elf Serien mit etwa 100.000 Auflage gibt. Viele Sendungen kann man damit nicht verschicken – auf ihrer Homepage hält die Post fest, dass der Versand mit den Briefmarken von „LNR“ nur auf dem von der “LNR” kontrollierten Gebiet funktioniert.